Grimms Mahnsteine

Zum Gedenkjahr 2013 entwarf Alfred Grimm vier Gedenksteine. Als Teil des Dinslakener Skulpturenweges erinnern sie an jüdische Bürger aus Dinslaken und ihre damaligen Berufe.

Im Jahre 2013 nähern sich traurige Gedenktage: 1933 vor 80 Jahren: Machtergreifung Adolf Hitlers. Dann die Tage der Bücherverbrennung. 1938 vor 75 Jahren: Reichspogromnacht. 1993, vor 20 Jahren, – als positives Ereignis – die Einweihung des großen Dinslakener Mahnmals von Alfred Grimm.

Seit 2007 arbeitete A. Grimm an einem neuen Projekt.

Die Leiterin des Dinslakener Stadtarchivs, Frau Gisela Marzin, und der Leiter des Museums Voswinckelshof, Dr. Theißen, planten, künstlerisch-plastische Erinnerungsmale an ehemalige jüdische Geschäfte und ihre Besitzer in der Altstadt von Dinslaken zu installieren. Jahrhunderte waren jüdische Bürger mit ihren Aktivitäten mitten in der Innenstadt fest im gesellschaftlichen Leben Dinslakens verwurzelt. Wollte man seine Kuh verkaufen, waren die Familien Julius und Josef Jacob auf der Brückstraße zuständig. Einen neuen Hut kaufte man bei Elly Eichengrün auf der Duisburger Straße. Brauchte man einen Installateur, so rief man Julius Isaacson und mit den Angeboten im großen Kaufhaus von Siegfried Bernhard konnte man seine komplette Wohnung einrichten. Die Genannten gehörten zur Dinslakener Geschäftswelt, wie viele ihrer jüdischen Glaubensgenossen – bis die Nazis die Macht ergriffen und Vertreibung und Tod brachten.

Erst in den letzten Jahren wurden Grundbesitz und Einzelhandelstätigkeiten jüdischer Bürger in Dinslaken wissenschaftlich aufgearbeitet und dokumentiert. Nun soll die Erinnerung an sie wieder im Stadtbild sichtbar werden. 20 Jahre nach der Einweihung des bronzenen Mahnmals im Stadtpark, plante Alfred Grimm die Realisierung von vier Mahnsteinen in der Innenstadt. Mahnmale aus Stein und Bronze, die an die jüdischen Mitbürger von einst in ihrem beruflichen Kontext erinnern.

Jedes Kunstwerk besteht – auf einer Fläche von zwei Metern mal 90 Zentimetern – aus einem dreiteiligen Ensemble aus Basaltsteinen.

Oben auf dem mittleren Stein ist eine Bronzeplastik mit Motiven zum Beruf und den biografischen Angaben zu der betreffenden jüdischen Familie angefügt. Hier konnte Alfred Grimm künstlerisch die unterschiedlichen Gegenstände,

die der ehemalige jüdische Geschäftsinhaber anbot, plastisch und anschaulich-sinnlich gestalten.

Die beiden flankierenden Steine sollen als Sitzgelegenheiten dienen. Die Betrachter können sich einladen lassen und verweilen. Sie können an diesem lebendigen Ort der Erinnerung ruhig und konzentriert das Werk mit seinen bildlichen und textlichen Aussagen auf sich wirken lassen, oder sich nur einfach ausruhen.

Die ersten beiden Mahnsteine zu den Familien Eichengrün und Isaacson wurden am 20. November 2012, die anderen beiden Mahnsteine zu den Familien Bernhard und Jacob am 23. März 2013 in bewegenden Feierstunden der Öffentlichkeit übergeben.

Zum Pressespiegel von
Grimms Mahnsteinen

1

Siegfried Bernhard

Kaufmann

Neustraße 70

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Siegfried Bernhard

Kaufmann

Neustraße 70

2

Elly Eichengrün

Hut- und Putzmacherin

Duisburgerstraße 8

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Elly Eichengrün

Hut- und Putzmacherin

Duisburgerstraße 8

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Elly Eichengrün

Hut- und Putzmacherin

Duisburgerstraße 8

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Elly Eichengrün

Hut- und Putzmacherin

Duisburgerstraße 8

3

Julius & Joseph Jacob

Viehhändler

Brückstraße 1

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Julius & Joseph Jacob

Viehhändler

Brückstraße 1

3

Julius & Joseph Jacob

Viehhändler

Brückstraße 1

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Julius & Joseph Jacob

Viehhändler

Brückstraße 1

4

Familie Isaacson

Klempner und Installateur

Eppinghovenerstr. 4

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Familie Isaacson

Klempner und Installateur

Eppinghovenerstr. 4

Die Entstehung der Mahnsteine

Vier konkrete Orte für die Aufstellung hat Alfred Grimm gemeinsam mit der Stadt Dinslaken erarbeitet. Sie wurden der Feuerwehr, der Polizei und dem Planungsamt der Stadt vorgelegt und auf ihre Machbarkeit geprüft. Die ersten beiden Mahnsteine fanden sofort großzügige Sponsoren. Alfred Grimm gestaltet die Wachsform zur Plastik Nr. 2: Elly Eichengrün.

Foto M. Büttner

Zeichnerischer Entwurf zur Plastik für Elly Eichengrün von 2008

Foto A. Grimm

Alfred Grimm formte – zunächst in Wachs – einen Damenhut mit Blumen und strukturiertem Schmuckband, gab einen Schal und Handschuhe als notwendige Accessoires hinzu.

Foto M. Büttner

Dann verband er die einzelnen in Wachs modellierten Teile: Hut, Schal, Handschuhe, Kordel und den Rahmen für den biografischen Text mit der Trägerplatte. Das Wachsmodell für die Bronzegießerei war fertig.

Foto M. Büttner

Abguss des 2. Mahnsteins bei der Gießerei Butzon und Bercker, Kevelaer, 24.1.2012 mit WDR-Team

Foto M. Büttner

Gussform des Schals, WDR-Team mit Helge Drafz (Mitte)

Foto M. Büttner

Mittlere Basaltsäule mit Bronzeplastik.
Der Text im Bronzerahmen des ersten Mahnsteins (in der Karte oben Nr. 2) erinnert an Elly Eichengrün.

Familie Eichengrün, Duisburger Straße 8
Elly Kann, geb. 1888, Putzmacherin
verheiratet mit Hermann Eichengrün, geb. 1880, Kaufmann
1941 Flucht über die Niederlande in die USA
1942 Ermordung des Sohnes Erwin in Auschwitz
Tochter Thea überlebte
2012 von Alfred Grimm aus Hünxe gestaltet
mit Unterstützung der Sparkasse Dinslaken-Voerde-Hünxe

Foto M. Büttner

Bronzeplastik für die Putzmacherin, Detail des Mahnsteins

Foto M. Büttner

Hutmacherin, ganzes Ensemble

Entwurfszeichnung zum Mahnstein für den Klempnermeister Julius Isaacson vom 25. Januar 2008

Foto A. Grimm

Wachsmodell zur Plastik für den Klempnermeister Julius Isaacson noch ohne Text zur Biografie. Alfred Grimm hat hier mit einer Durchformung von alten Abflussrohren, von dicken Leitungen, einem Wasserkran und einer Rohrzange eine spannende plastische Anlage gestaltet. Eine in einem Rohr sitzende dicke Kröte soll auf leise Unkenrufe hinweisen, die ungehört verhallten.

Foto M. Büttner

Der zweite Mahnstein (in der Karte oben Nr. 4) gibt über den Klempner und Installateur Julius Isaacson Auskunft.

Familie Isaacson, Eppinghovener Straße 4
Julius Isaacson, geb. 1875
Klempner und Installateur verheiratet mit Selma Luhs, geb. 1878
1940 Flucht nach Buenos Aires
Tod beider in den 1940er Jahren
Neun Kinder:
Frieda und Paul starben in Dinslaken
Günter und Werner wurden im KZ ermordet
Hans, Ilse – Henriette, Kurt, Max und Otto überlebten
2012 von Alfred Grimm aus Hünxe gestaltet
mit Unterstützung der Wohnbau Dinslaken GmbH

Foto M. Büttner

Klempner, ganzes Ensemble

Alfred Grimm im September 2012 mit den fertigen Bronzegüssen zu den Berufen der Familien Eichengrün (rechts) und Isaacson (links)

Foto M. Büttner

Das Wachsmodell des dritten Mahnsteins (Nr. 1 in der Karte), der über den Kaufhausbesitzer Siegfried Bernhard künstlerisch Auskunft gibt. Es zeigt ausgewählte Waren, die im Kaufhaus angeboten wurden. Man konnte bei Familie Bernhard die Einrichtung einer ganzen Wohnung erwerben.

Foto M. Büttner

Der Mahnstein zum Kaufhausbesitzer Siegfried Bernhard (Nr. 1 in der Karte) wurde erst am 23. März im Gedenkjahr 2013 in der Innenstadt in Dinslaken der Öffentlichkeit übergeben.

Familie Bernhard, Neustraße 70
Siegfried Bernhard, geb.1896, Kaufmann
verheiratet mit Anna Cohen, geb.1892
Das Ehepaar betrieb ein Kaufhaus mit umfangreichem Warenangebot
Nach mehreren Deportationsorten wurden beide 1944 in Auschwitz ermordet
Ihre Kinder Heinz und Ingeborg überlebten in Frankreich und der Schweiz
2013 von Alfred Grimm aus Hünxe gestaltet
Mit Unterstützung der Volksbank Dinslaken eG, der Rühl-Stiftung Voerde, Verein für Heimatpflege Land Dinslaken e.V., Dinslakener Heimatverein e. V.

Foto J. Leipner

Kaufmann, ganzes Ensemble

Das Wachsmodell für die Vettern Julius und Josef Jacob, die in Dinslaken Viehhändler waren. Hier sind Bezüge zu ihrer täglichen Arbeit zu sehen: Zwei Kühe, ein Bulle, ein Viehstrick, ein Schlachtermesser, ein abgetrennter Kalbskopf und eine offene Geldbörse, aus der Geldstücke herausfallen.

Foto M. Büttner

Viehhändler, Bronzeplastik

Bronzeguss des vierten Mahnsteins (in der Karte oben Mahnstein Nr. 3)

Familien Julius und Josef Jacob
Brückstraße 1 und Duisburger Str. 7
beide Vettern waren Viehhändler
Julius Jacob, geb. 1878
verheiratet mit Frieda Coppel, geb. 1889
Sohn Fritz, geb. 1913 floh 1937 nach Uruguay
Tochter Trude, geb. 1919, folgte ihm 1938
Die Eltern und Tochter Elisabeth, geb.1911,
wurden in Riga und Stutthoff ermordet
Josef Jacob, geb. 1883
verheiratet mit Amanda Gompertz, geb.1896
Alle Familienmitglieder wurden 1941
nach Litzmannstadt (Lodz) deportiert und ermordet
2013 von Alfred Grimm aus Hünxe gestaltet
Mit Unterstützung Ev. Kirchenkreis, Kath. Dekanat, Gerhard Greiner, Elisabeth Schäfer, Artur Benninghoff, Klaus Hahnen
weitere Dinslakener Firmen, Institute und Privatpersonen

Damit wird zu vier wichtigen jüdischen Familien, die lange Jahrzehnte in Dinslaken an der Grenze zwischen dem Niederrhein und dem Ruhrgebiet lebten und arbeiteten, bis sie von den Machthabern des Dritten Reiches vertrieben oder ermordet wurden, ein plastisches, lebendiges Zeugnis der Erinnerung erhalten.

Foto J. Leipner

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